Sanfte Hausmittel in der Zahnmedizin

Jeder Zweite greift heute bereits lieber zu natürlichen Hausmitteln als zu herkömmlichen Medikamenten. Auch in der Zahnarztpraxis fragen vor allem Patienten, die gesundheitsbewusst leben, häufig nach sanften Alternativen. In vielen Fällen können wir auf die Kraft von Kräutern und ätherischen Ölen verweisen. Denn oftmals lindern schon pflanzenbasierte Hausmittel effektiv Beschwerden im Mundraum oder können die klassische Therapie optimal unterstützen.

Hausmittel Zahnmedizin
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Hausmittel in der Zahnmedizin

Der Einsatz von natürlichen Hausmitteln zeichnet sich dadurch aus, dass sie oft von Generation zu Generation weitergegeben werden. Meist liegen nur wenige Studien über die Aussagekraft der zu erwartenden Wirkung vor, stattdessen wird der heilsame Effekt von klinischen Anwendungen und Erfahrungsberichten untermauert. Viele etablierte Wirkstoffe von Heilpflanzen wie Salbei oder Nelken werden nicht nur in der alternativen, sondern auch in der konventionellen Zahnmedizin professionell und häuslich eingesetzt. Die hauptsächliche Verwendung findet jedoch in der Zubereitung von Zahnpflegeprodukten statt.

Frisch oder getrocknet zu Tee, Salbe, Tinktur oder Spülungen verarbeitet, werden Heilkräuter oder ätherische Öle bei leichten oralen Erkrankungen bzw. Verletzungen verwendet. Zusätzlich unterstützen sie das Gleichgewicht unserer Mundflora und fördern die natürliche Wundheilung.

Zahnfleischentzündungen mit Hausmitteln begegnen

Die häufigste Ursache für Zahnfleischentzündungen ist eine nicht optimale Mundhygiene. Darüber hinaus fördern ungesunde Gewohnheiten wie das Rauchen, der übermäßige Genuss von Alkohol oder Drogen, zuckerreiche Nahrungsmittel und Getränke sowie Stress und die Einnahme von Medikamenten das Wachstum schädlicher Bakterien in der Mundhöhle. Aber auch Patienten mit Allgemeinerkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck leiden oftmals an einer Gingivitis oder Mundtrockenheit.

Bei der Überprüfung der Anamnese berichten unsere Patienten von gelegentlich auftretendem Zahnfleischbluten, leichten Entzündungen, Aphthenbildung, Herpes oder leichten Schleimhautreizungen. Genau hier können wir mit (Wild-)Kräutern den Heilungsprozess in der Mundhöhle unterstützen.

Solange es sich bei den Beschwerden unserer Patienten um leichte Veränderungen/Erkrankungen am Zahnfleisch oder der Schleimhaut handelt, die oft bei einer oralen Inspektion im Rahmen der professionellen Zahnreinigung festgestellt werden und die sich noch nicht manifestiert haben, können die Symptome durchaus zunächst mit Hausmitteln behandelt werden.

Hierbei eignen sich Spülungen aus Teeauszügen mit verschiedenen Wirkstoffen oder auch alkoholische Tinkturen. Diese sind meist stärker in ihrer Wirkung als ein Teeaufguss, da der Alkohol auch fettlösliche Wirkstoffe wie ätherische Öle oder Pflanzenhormone aufnimmt und ins Blut transportiert. Zusätzlich wirkt der Alkohol noch desinfizierend auf das entzündete Zahnfleisch. Der Patient sollte jedoch stets über den Alkoholgehalt aufgeklärt werden, da für ehemalige Alkoholiker und Patienten mit Xerostomie eine absolute Kontraindikation vorliegt.

Liegen Läsionen vor, die nach 7 bis 10 Tagen nicht abgeheilt sind, sollten diese zwingend dokumentiert und die Patienten zur Nachkontrolle bzw. zur klärenden Diagnostik beim behandelnden Zahnarzt einbestellt werden, um karzinogene Veränderungen auszuschließen und ggf. weitere histologische Untersuchungen einzuleiten.

Möglichkeiten der Hausmittel

Tee und ätherische Öle

Bei der Zubereitung von Tees sind nicht nur die Inhaltsstoffe, sondern auch die Temperatur des Wassers und die Ziehzeit für die Wirkung entscheidend. Denn so kann die optimale Wirkstoffbreite aus dem Tee ins Wasser übertragen werden. Frisch geerntete Kräuter enthalten die meisten Wirkstoffe und schmecken besonders aromatisch. Beim Ziehen sollte das Gefäß immer zugedeckt sein, damit die Wirksamkeit der ätherischen Öle erhalten bleibt. Für Mundspülungen mit Kräutertees sollte das Teeglas immer zugedeckt sein und die Ziehzeit nie über 10 Minuten liegen, da sich sonst die ätherischen Öle verflüchtigen und die wohltuende Wirkung damit reduziert wird.

Es sind weniger einzelne Inhaltsstoffe (Monosubstanzen), die die Wirksamkeit ausmachen, als vielmehr die Summe und das Zusammenspiel aller Wirkstoffe.

Darreichungsformen

Spülung

Patienten sollten mehrmals am Tag mit dem zubereiteten Aufguss spülen, um das Zahnfleisch zu beruhigen, das Bakterienwachstum einzudämmen und eine Abheilung zu beschleunigen.

Massage

Neben der klassischen Spülung kann der Aufguss auch mit einer weichen Zahnbürste einmassiert werden. Durch die Massage wird die Durchblutung angeregt und die Wirkstoffe können zur schnelleren Heilung direkt ins Zahnfleisch diffundieren.

Auflagen

Die Teebeutel können als Auflagen für entzündete Stellen genutzt werden (oder auch vorgekühlt für verbrannte Bereiche). Sie sollten dann einige Minuten auf der betroffenen Stelle verbleiben, damit die Wirkstoffe ausreichend einwirken können. Alternativ können auch frisch geerntete Blätter direkt aufgelegt werden.

Heilkräuter und ihre Wirkstoffe

Grüner Tee

Grüner Tee wirkt antibakteriell. Seine Hauptwirkstoffe sind antioxidative Polyphenole, insbesondere Flavonoide, wie Catechine, Catechingallate (Epigallocatechingallat, EGCG) und Proanthocyanidine.

Die Catechine im grünen Tee können den pH-Wert des Speichels in einem ausgewogenen leicht basischen Milieu halten (7,2 bis 7,4) und so die Vermehrung von Kariesbakterien ( Streptococcus mutans) hemmen. Gleichzeitig reduziert grüner Tee die Bildung von gewebeabbauenden Enzymen (Kollagenasen, Matrix- Metalloproteasen) und drosselt so die Gewebezerstörung und den Knochenabbau.

Tipp: Normaler grüner Tee kann täglich zum Genießen und als Spülung völlig nebenwirkungsfrei eingesetzt werden. Als reine Spüllösung eignet sich eher ein stark catechinreicher grüner Tee.

Salbei

Salbei ist eine der am häufigsten eingesetzten Heilpflanzen. Seine antientzündliche und adstringierende Wirkung basiert auf den enthaltenen Gerb- und Bitterstoffen sowie den zahlreichen ätherischen Ölverbindungen. Die im Salbei enthaltene Rosmarinsäure beispielsweise besitzt antivirale, antibakterielle und entzündungshemmende Eigenschaften. Darum wird Salbei in der Pflanzenheilkunde sehr gern bei Beschwerden in Mund und Rachen eingesetzt.

Für eine Mundspülung wird Salbei frisch oder getrocknet wie ein Tee aufgegossen. Auf eine kleinere Tasse (100 ml) kommen dabei zwei Esslöffel getrockneter Salbei. Nach etwa 10 Minuten haben sich die ätherischen Öle im Wasser verteilt. Die Spülung kann abgeseiht und mehrmals täglich angewendet werden. Frische Blätter können auch direkt auf die Schleimhaut gelegt werden, etwa bei Aphthen.

Ingwer

Ingwer ist mit seiner entzündungshemmenden und antibakteriellen Wirkung ein wahrer Allrounder und sehr heilsam. Ingwertee kann mehrmals täglich getrunken oder als Flüssigkeit zum Gurgeln verwendet werden. Die beste Wirkung entfaltet Ingwer, wenn er zuvor aufgekocht wird. Dazu Ingwer reiben oder in Scheiben geschnitten in einer Tasse mit kochendem Wasser übergießen, etwas abkühlen lassen und den Mundraum damit spülen. Aber auch Ingwer kann als frische Scheibe an der betroffenen Stelle aufgelegt werden.

Kamille

Kamille wirkt beruhigend und desinfizierend auf entzündetes Zahnfleisch. Für eine Kamillenspülung Kamillentee doppelt so stark wie auf der Packungsanleitung angegeben zubereiten, leicht abkühlen lassen und mehrmals täglich den Mund damit ausspülen.

Heidelbeersud

Auch ein Sud aus Heidelbeeren wirkt desinfizierend, antientzündlich sowie antibakteriell. Hierfür einen Esslöffel getrocknete Heidelbeeren mit einer Tasse kaltem Wasser übergießen und kurz aufkochen lassen. Anschließend für 10 Minuten ziehen lassen. Möglichst einmal pro Stunde damit spülen oder an der betroffenen Stelle in das Zahnfleisch einmassieren.

Ätherische Öle

Nelken-, Pfefferminz- und Teebaumöl haben sich als erfolgreiche Hausmittel gegen Zahnfleischentzündungen erwiesen. Da die ätherischen Öle jedoch sehr intensiv sind, sollten sie nicht pur angewendet werden.

Teebaumöl

Teebaumöl ist bekannt für seine antibakteriellen Eigenschaften, wie auch in einer Reihe von Studien nachgewiesen wurde. Das Öl kann punktuell bei Herpes auf die Bläschen aufgetupft werden. Aber Achtung: Es darf nie unverdünnt auf die Schleimhaut aufgetragen werden, da dies zu Verätzungen führen kann.

Nelkenöl

Nelkenöl ist meist ein Gemisch aus Nelkenknospen-, Nelkenblatt- und Nelkenstielöl. Es wirkt stark antiseptisch und antimikrobiell, besonders gegen Pilze, Viren und Bakterien. Nelkenöl kann auch bei Entzündungen der Mundschleimhaut eingerieben werden und hilft auch bei Überempfindlichkeiten der Zähne.

Lavendel

Lavendel beruhigt nicht nur bei nervöser Unruhe, Angstzuständen und Schlafstörungen, sondern kann auch bei Entzündungen zur Linderung beitragen. Die Pflanze kann bei einer Zahnfleischentzündung als Tee getrunken, zum Gurgeln oder als Spülung verwendet werden. Mit einer Mundspüllösung aus 2 bis 3 Tropfen Lavendelöl und einem Glas Wasser kann mehrmals täglich gespült werden.

Lavendelöl eignet sich aber auch, um für Entspannung vor der zahnmedizinischen Behandlung zu sorgen. Dafür kann der Patient 3 Tropfen Lavendelöl in seiner Handfläche verreiben und langsam inhalieren.

Salzwasser mit Kräutern

Salzwasser besitzt eine nachgewiesene medizinische Wirkung auf die Schleimhäute in Mund und Rachen, weil es diese befeuchtet und Reizungen entgegenwirkt. Salzhaltiges Wasser verfügt über antibakterielle, abschwellende, desinfizierende, schmerzlindernde und entzündungshemmende Eigenschaften. Für einen besonders wirksamen Effekt kann Thymian oder Salbei mit dem Salzwasser kombiniert werden.

Zur Anwendung im Mund kann ein Teelöffel Salz in einem Glas Wasser aufgelöst werden. Die Lösung kann entweder als Mundspülung genutzt oder direkt an den betroffenen Stellen einmassiert werden. Bei der Zubereitung ist darauf zu achten, dass nur kleine Mengen angemischt werden, denn die Mixtur sollte innerhalb einer Woche aufgebraucht werden. Die angemischte Mundspülung am besten in ein abgedunkeltes Gefäß füllen, so ist sie vor starken Lichteinflüssen geschützt und hält sich länger.

Hausmittel unterstützend einsetzen

Hausmittel können die Schulmedizin durchaus sinnvoll unterstützen und stets kombiniert werden. Ohne großen Aufwand haben wir in der Zahnmedizin mit ihnen die Möglichkeit, leichte Unpässlichkeiten unserer Patienten zu lindern, beginnende Erkrankungen abzuschwächen oder die oralen Abwehrkräfte zu stärken. Meiner Erfahrung nach schätzen viele Patienten konkrete Tipps zur Anwendung von Hausmitteln und Pflegeempfehlungen mit natürlichen Inhaltsstoffen. Auch, weil diese in der Regel geringe Kosten und einen kleinen Aufwand bedeuten und darüber hinaus meist umweltschonend und nachhaltig sind (Zero Waste). In diesem Zusammenhang kann der Einsatz von Hausmitteln also durchaus auch zur nachhaltigen Patientenbindung beitragen.

Beitrag, erschienen in Wir in der Praxis 03/22