Drogen und Depression in der Zahnarztpraxis

Die Identifizierung von Suchterkrankungen oder Depressionen bei Patienten in der Zahnarztpraxis erfordert eine sorgfältige Beobachtung, Kommunikation und lückenlose Anamnese. Aber sie ist essenziell, um die Patienten risikogerecht behandeln zu können.

Als Risikopatienten werden oft nur Patienten betrachtet, die harte Drogen oder Antidepressiva konsumieren. Jedoch kann man bei jeglichem Konsum von weichen und harten Drogen Zusammenhänge zu Erkrankungen im Mund feststellen. Entweder nehmen die Substanzen direkten Einfluss auf die Mundhöhle, oder es kommt zu systemischen Effekten, die sich wiederum negativ auf die Mundgesundheit auswirken. 

Verbreitung von Sucht und Depression

Pflanze mit dunklem Hintergrund

Laut repräsentativen Umfragen wie dem Epidemiologischen Suchtsurvey 2021 rauchen in Deutschland rund 11,6 Millionen Menschen, 1,6 Millionen sind alkoholabhängig und laut Schätzungen sind bis zu 2,9 Millionen Menschen medikamentenabhängig. Schlaf- und Beruhigungsmittel machen mit 70 % den Großteil der Abhängigkeiten aus. Aber auch Schmerzmittel weisen ein erhebliches Suchtpotenzial auf. Rund 1,3 Millionen Deutsche weisen einen problematischen Konsum von Cannabis und illegalen Drogen auf. Und noch einmal so viele gelten als spielsüchtig. 

Der Konsum von Zigaretten, E-Zigaretten, Shisha, Energydrinks, Medikamenten und Alkohol gehören bei vielen Patienten zum täglichen Lifestyle. Und bereits junge Menschen missbrauchen Stimulanzien wie Ritalin und das Opioid Tilidin, die sie im Zusammenhang mit Therapien verschrieben bekommen, als Drogen, um ihre Leistungsfähigkeit zu steigern oder einen euphorischen Zustand zu erreichen. 

Depressionen wiederum (teilweise mit Medikation von Antidepressiva) gehören zu den weitverbreitetsten Erkrankungen in Deutschland. Im Laufe eines Jahres erkranken insgesamt 8,2 % der Erwachsenen zwischen 18 bis 79 Jahren an einer Depression (vgl. Jacobi et al., 2016). 

Und all diese Patienten bringen ein erhöhtes Komplikationsrisiko in die zahnärztliche Behandlung mit. Sie bedürfen daher einer besonderen Fürsorge.

Auswirkung auf die Mundgesundheit 

Folgen von Rauchen und Tabakkonsum

Der Konsum von Tabakerzeugnissen führt zu einer schlechteren Durchblutung, erhöht die Entzündungsneigung und beeinträchtigt die Heilung von Wunden. Es verzögert die Pellikelbildung und führt zu einer Verschiebung der Bakterienflora. Die Speichelzusammensetzung und Qualität wird verändert, was das Risiko von Parodontitis, Karies, Mundgeruch und Mundtrockenheit sowie Pilzerkrankungen erhöht. Zusätzlich kann es zu starken Farbablagerungen und Verfärbungen der Zahnoberfläche und Pigmentierung der Mundschleimhaut kommen. Auch Mundhöhlenkrebs weist eine direkte Verbindung zum Rauchen auf. Das Hungergefühl wird unterdrückt und zudem kann es zu Nährstoffmangel aufgrund von Störungen der Darmflora oder Darmerkrankungen kommen. 

Alternative Tabak- und Rauchwaren wie Snus, E-Zigaretten oder Shishas manifestieren sich ebenfalls in Schleimhautveränderungen (z. B. orale Leukoplakie), Karzinomen oder parodontalen Erkrankungen.

Anzeichen und Folgen von Alkohol

Im Falle von Alkoholismus ist es für uns meist schwer zu erkennen, ob bei unseren Patienten bereits eine manifestierte Erkrankung vorliegt. Denn körperliche Anzeichen und gesundheitliche Probleme treten erst nach einem langen Konsum auf, wie zum Beispiel:

  • Blutgerinnungsstörungen, Herz-Kreislauf-Probleme, Lebererkrankungen, Pankreatitis, Fettleber, Neurologische Störungen, Mangelernährung, Nierenprobleme
  • Äußerlich kann es zu neurologischen Störungen z. B. Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination/Laufen) und Gedächtnisverlust, starkem Körpergeruch, Hautproblemen wie Gelbsucht, Rosazea oder Ekzeme kommen.

Oral äußert sich der Alkoholkonsum oft in Erosionen am Zahnschmelz (durch den Säuregehalt von Spirituosen und Magensäure) sowie Mundgeruch.

Drogenkonsum

Der Missbrauch von Drogen bringt vielfältige Risiken für die Mundgesundheit mit. Besonders kritisch ist der Konsum von Methamphetamin: die enthaltenen giftigen Substanzen wie Ammoniak, Phosphor, Batteriesäure, Abflussreiniger, Farbverdünner können den Zahnschmelz erheblich schädigen und die Zähne abfaulen lassen. Es kommt außerdem zu Mundtrockenheit, Karies und Zahnfleischerkrankungen.

Aber auch die sogenannten weichen Drogen hinterlassen ihre Spuren im Mund. Der regelmäßige Konsum von Cannabis schädigt vor allem das Zahnfleisch und begünstigt parodontale Erkrankungen. Hinzu kommen die Auswirkungen des Tabaks, mit dem das Cannabis meist gemischt wird. Außerdem fördert Marihuana die Lust auf Süßes. Häufige „Fressflashs“ und eine vernachlässigte Mundhygiene erhöhen das Kariesrisiko enorm.

Ernährungsprobleme

Essstörungen wie Anorexia nervosa und Bulimia nervosa beeinträchtigen ebenfalls die Mundgesundheit. Bei Bulimie verursacht die wiederholte Magensäureexposition Erosionen an den Innenseiten der Oberkieferzähne, was zu Zahnempfindlichkeit führt. Bulimische und anorektische Patienten leiden zudem oft an Mangelerscheinungen und Elektrolytstörungen, die die orale Gesundheit negativ beeinflussen können.

Depressionen 
Obwohl fast jeder fünfte Deutsche im Laufe seines Lebens davon betroffen ist, wird häufig noch über die Erkrankung geschwiegen. Sogar Patienten, die äußerlich erfolgreich und glücklich erscheinen, können ernsthafte Depressionen haben und medikamentös behandelt werden. Aus Scham erwähnen nicht alle Patienten bei der Anamnese diese Erkrankung.

Patienten mit Depression neigen dazu, alltägliche Aufgaben zu vernachlässigen, einschließlich der Mundhygiene. Hinzu kommen häufig ungesunde Ernährungsgewohnheiten, z. B. der Konsum von zuckerhaltigen Lebensmitteln sowie der übermäßige Verzehr von Stimulanzien wie Kaffee oder Energydrinks, die auf lange Sicht Karies, Erosionen und Zahnfleischerkrankungen fördern. Als Nebenwirkung von Antidepressiva kommt es häufig zu Mundtrockenheit.

Prophylaxe bei Sucht- und depressiven Patienten

Aufgrund der vielen Erkrankungsparameter wie erhöhter Entzündungsneigung, reduziertem Immunsystem und unzuverlässigen Mundhygienebereitschaft sollten Patienten mit Suchtproblemen und Depressionen in der Prophylaxe sehr engmaschig geführt werden. 

Der Beratung, Motivation und mehrfachen Instruktion über Putztechnik und Hilfsmittel kommt eine sehr große Bedeutung zu. Hier lautet die Devise „weniger ist mehr“: Der Patient braucht einfache Instruktionen mit fluoridhaltigen und basischen Zahnpasten und Spülungen. Zusätzliche kann der Einsatz von Pflegeprodukten und Ölen die Mundtrockenheit lindern. Probiotika unterstützen die Regeneration der Mikroflora.

Sinnvoll sind auch eine Überprüfung der Darmgesundheit und möglicher Nährstoffdefizite. Zusätzlich sind eine intensive parodontale Diagnostik mit klinischer Sichtkontrolle, Messung von PSI und Taschentiefen, sowie regelmäßige Röntgenbilder wichtig, um ein schnelles therapeutisches Eingreifen zu gewährleisten.

Bei multiplen Medikationen und multiplen Allgemeinerkrankungen ist eine Zusammenarbeit mit der Hausarzt ratsam.