Ganzheitliche Ansätze in der Prophylaxe

Heute wissen wir, dass viele oralen Erkrankungen multifaktoriell bedingt sind. Allen voran gilt das für die Volkskrankheit Parodontitis. Ihre Genese ist so komplex, dass eine einseitige Betrachtungsweise heute einfach nicht mehr up to date ist. Darum setzen sich ganzheitliche Behandlungsansätze in der Zahnmedizin immer stärker durch.

Auch unsere Patienten selbst fordern mittlerweile immer häufiger aktiv einen ganzheitlichen Behandlungsansatz und alternative Therapiemöglichkeiten ein. Das kann diverse Gründe haben: zum Beispiel sind es Patienten mit chronischen Erkrankungen, die einen langen Leidensweg hinter sich haben, oder aber auch besonders gesundheitsbewusste Menschen, die sich intensiv mit Themen wie Nachhaltigkeit oder alternativer Medizin beschäftigen.

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Mundgesundheit als Teil des Ganzen

Der Zusammenhang zwischen Parodontitis und anderen systemischen Erkrankungen ist der Wissenschaft bereits länger bekannt. Breiten sich parodontalpathogene Keime über Blutgefäße und Lymphe im Körper aus, begünstigen sie die Entstehung von bzw. verstärken bereits vorliegende Krankheitsbilder wie Diabetes, Arteriosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Schlaganfälle, Fehlgeburten, Nierenerkrankungen oder Harnwegsinfektionen.

Andersherum wirken sich auch die Allgemeinerkrankungen negativ auf die parodontale Gesundheit aus. Darum ist es nur folgerichtig, sowohl im Rahmen der PA-Therapie als auch in der Prophylaxe die den gesamten Organismus betreffenden Ursachen zu betrachten.

Ernährung und Nährstoffmangel

Wird der Körper nur unzureichend mit Vitalstoffen versorgt, kann der Stoffwechsel nur eingeschränkt funktionieren, Entzündungsprozesse haben leichtes Spiel und viele zahnmedizinische Behandlungsmaßnahmen sind weniger erfolgreich. Neben einer umfassenden Mundhygiene spielt deshalb auch die optimale Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen eine große Rolle für unsere Patienten.

Bedingt wird ein Nährstoffmangel dabei nicht immer nur durch eine ungesunde Ernährungsweise. Viele Faktoren wie das Alter, Lebensumstände und Gewohnheiten aber auch Umweltbelastungen und die Einnahme von Medikamenten können den Nährstoffbedarf des Körpers erhöhen. Wichtig ist, dass wir den Patienten beim Ausgleich von Mangelzuständen unterstützen.

Für die Gesundheit von Zähnen, Zahnfleisch und Knochen sind vor allem Mikronährstoffe wie die Vitamine A, C, D und B12 sowie Folsäure, Omega-3-Fettsäuren, Magnesium und Zink von Bedeutung. Insbesondere der Gehalt von Vitamin D3 ist bei zahlreichen Patienten viel zu gering. Gerade bei PA-Patienten zeigt sich häufig ein Mangel, der sich unter anderem in einer gestörten Regeneration des Knochens äußert.

Im Sinne einer ganzheitlichen Zahnmedizin sollten Patienten daher immer auf mögliche Mangelerscheinungen hin untersucht und ggf. entsprechend beim Auffüllen der Mikronährstoffspeicher, zum Beispiel durch Supplementierung, unterstützt werden.

Biologische Prophylaxebehandlung

Im Rahmen der Prophylaxebehandlung lassen sich häufig problemlos klassische Materialien und Methoden gegen biologische Alternativen austauschen. Zu nennen ist hier allen voran die Gabe von Antibiotika sowie der Einsatz von Chlorhexidin. Sofern diese nicht zwingend medizinisch notwendig sind, lässt sich eine vergleichbare oder sogar bessere Wirkung mit ätherischen Ölen erzielen. Diese helfen nicht nur dabei, Keime in der Mundhöhle nachhaltig zu reduzieren und Entzündungen einzudämmen, sondern haben oftmals auch einen pflegenden Effekt für das Gewebe.

Im Vergleich zu den herkömmlichen Ansätzen sind ätherische Öle komplett nebenwirkungsfrei. Sie bilden keine Resistenzen aus und schonen sowohl die Schleimhaut als auch die natürliche Mundflora. Außerdem sind sie echte Allrounder: Mundwasser, Tinkturen und Spülungen auf natürlicher Basis oder Mundziehöle lassen sich von der Prävention bis hin zur Periimplantitistherapie einsetzen. Für eine äußerst gezielte Behandlung kann vorab ein Aromatogramm des Patienten angefertigt werden. An den Laborergebnissen lässt sich entsprechend ablesen, welche Keime in der Mundhöhle auf welche ätherischen Öle besonders ansprechen.

Alternative Begleittherapien für PA-Patienten

Wenn das instrumentelle Biofilmmanagement und die Mundhygienemaßnahmen der klassischen PA-Therapie nicht ausreichen, um parodontale Entzündungen langfristig und nachhaltig zu therapieren, können ergänzend verschiedene natürliche Behandlungsoptionen hinzugezogen werden.

Neben den bereits genannten ätherischen Ölen, bietet uns der technologische Fortschritt heute auch physikalische und biochemische Therapien, mit denen wir überzeugende Ergebnisse in der PA-Behandlung erzielen können.

Mithilfe der photodynamischen und photothermischen Lasertherapie beispielsweise können pathogene Keime gezielt und minimalinvasiv aus den Zahnfleischtaschen eliminiert werden. Damit kann der Laser sowohl unterstützend in der PA-Therapie als auch in der Prophylaxe eingesetzt werden.

Bei der Ozonbehandlung hingegen wird Singulett-Sauerstoff appliziert, der die Zellhüllen sowie RNA und DNA der Bakterien, Viren und Pilze angreift und sie so effektiv beseitigt. Für die Gewebezellen sind die freien Sauerstoffatome nicht schädlich. Stattdessen fördert das Ozon die Sauerstoffsättigung und unterstützt damit die Heilung des entzündeten Gewebes zusätzlich. Das Verfahren kann selbst für tiefe Zahnfleischtaschen angewendet werden und kommt unter anderem bei der Full-Mouth-Therapie, der PA- und der Periimplantitistherapie sowie auch bei Karies- oder endodontischen Behandlungen zum Einsatz.

Als weitere biologische Begleittherapie ist die Einnahme von Probiotika vielversprechend. Auch wenn die Studienlage hierzu noch nicht so breit ist, beobachten viele Patienten positive Effekten, wie zum Beispiel die Verminderung der Blutungsneigung. Dabei wirken Probiotika gleich doppelt auf die parodontale Gesundheit: Sie stärken einerseits das Immunsystem und helfen andererseits, die Balance der Mikroorganismen in der Mundflora wiederherzustellen und so die pathogenen Keime an ihrer Ausbreitung zu hindern.

Häusliche Mundhygiene mit biologischen Produkten

Last but not least stehen dem Patienten auch im Bereich der häuslichen Mundhygiene viele Möglichkeiten offen, mit biologischen Produkten zu arbeiten. Sei es das Ölziehen als tägliche Zahnpflegeroutine oder die Verwendung natürlicher Spülungen und Zahnpasten ohne Mikroplastikanteile und chemische Inhaltsstoffe – die häufig in Verdacht stehen, negativ auf die Schleimhäute und den Hormonhaushalt oder mitunter auch kanzerogen zu wirken. Für eine vollumfängliche biologische Betreuung sollte darum die Mundhygieneberatung im Rahmen der Prophylaxe und PA-Therapie um spezielle Empfehlungen zu Wirkstoffen und Anwendungshinweise erweitert werden.

Aufruf zur ganzheitlichen Zahnmedizin

Wenn wir die Gesundheit und die Lebensqualität unserer Patienten langfristig stärken wollen, müssen wir den Menschen als Ganzes betrachten. Der Blick wandert dann automatisch über den Tellerrand der konventionellen Schulzahnmedizin hinaus. Aber bereits heute lassen sich durchaus evidenzbasiert klassische Behandlungsmethoden um biologische Therapiemöglichkeiten ergänzen oder durch sie komplett ersetzen. Also lassen Sie uns gemeinsam ein Umdenken fördern, hin zu einer ganzheitlichen zahnmedizinischen Betreuung und biologischen Behandlungsoptionen.

Beitrag, erschienen in Systemisch Orale Medizin 04/22