Biologische Prophylaxe – Alternative Begleittherapien für das PA-Konzept

Die vielfältigen Ursachen der Volkskrankheit Parodontitis verlangen einen ganzheitlichen Therapieansatz. Oft ist es deshalb von Vorteil, Alternativen und Ergänzungen zu herkömmlichen Methoden zu kennen. Doch wie lassen sich alternative und natürliche Behandlungen sowie biologische Mundhygieneempfehlungen im konventionellen PA-Konzept integrieren? Der folgende Beitrag gibt dazu Lösungsvorschläge.

Wie passen orale Erkrankungen wie Gingivitis und Parodontitis eigentlich in unseren hochmodernen Alltag? Einerseits legen Menschen heute immer mehr Wert auf ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden. Einer aktuellen Studie der Universität Freiburg und der Bewertungsplattform HealthOn zufolge befassen sich mittlerweile mehr als 100.000 Apps mit Gesundheits- oder Medizinthemen.1 Andererseits sind sie nur allzu oft gefangen in Stress, Hektik und Zeitdruck. Ihr Leben bewegt sich häufig zwischen Handy, Großraumbüro, Fast Food und Internetshopping und ist oft geprägt von einseitigen Diäten, Rauchen und zu wenig Sport. Trotz vielfältiger Onlineangebote wie Aufklärungsvideos oder Zahnputz-Apps sowie einer guten zahnmedizinischen Versorgung sind laut der aktuellen Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS V) immer noch 51,6 Prozent der 35- bis 44-Jährigen und 64,6 Prozent der 65- bis 74-Jährigen von einer moderaten bis schweren Parodontitis betroffen.2 Bezeichnet man gerade deshalb Parodontitis als eine Zivilisationskrankheit? Auch aus Sicht der Wissenschaft ist sie nicht als isolierte Erkrankung zu sehen, sondern nur als ein Symptom einer multifaktoriellen Erkrankung und mit bestimmten Risiken vergesellschaftet.

Zusammenhang von PA und Allgemeingesundheit

Nachhaltigkeit Zahnarztpraxis

Schon seit Längerem ist bekannt, dass aggressive und resistente parodontalpathogene Keime sich über die Blutgefäße und Lymphbahnen im ganzen Körper ausbreiten und Krankheiten verursachen oder begünstigen können, wie z. B.:

  • Arteriosklerose
  • Herzinfarkt und Herzinnenhautentzündung
  • Hirninfarkt (Schlaganfall)
  • Unfruchtbarkeit
  • achtmal höheres Risiko für Fehl- und Frühgeburten
  • geringeres Geburtsgewicht und größere Anfälligkeit des Säuglings
  • Atemwegs- und Lungenerkrankungen
  • Verstärkung von Diabetes
  • Harnwegsinfektionen
  • Nierenerkrankung

Deshalb sind Erkrankungen des Gesamtorganismus (systemische Erkrankungen) nicht außer Acht zu lassen, wenn es um die zahnmedizinische Behandlung geht. Sie können das gesamte Immunsystem zusätzlich stark schwächen und somit den PA-Therapieerfolg herabsetzen. Deshalb ist stets eine Zusammenarbeit zwischen Zahnarzt und Hausarzt wichtig.

Ganzheitlicher Ansatz

Nicht nur Praxen für ganzheitliche Zahnmedizin, sondern auch immer mehr Praxen für Allgemeine Zahnheilkunde verfolgen eine ganzheitliche Betrachtungsweise und wollen ihren Patienten ein umfangreiches Therapieangebot zur Verfügung stellen. Da Parodontitis weit mehr als nur eine Entzündung des Zahnhalteapparats darstellt, fordern auch viele Patienten mit chronischen Erkrankungen von sich aus zunehmend natürliche und schonende Therapiemöglichkeiten ein.

Die häufigsten Parodontitisformen stellen die chronische und die aggressive Parodontitis dar. Ursache sind jeweils parodontalpathogene Mikroorganismen im subgingivalen Biofilm, wobei aber nicht ausschließlich diese Mikroorganismen für die Entstehung der Erkrankung verantwortlich sind. Hinzu kommen exogene und endogene Faktoren, wie z. B. Rauchen, Alkohol, Stress, die Menopause, Nährstoffmangel und eine genetische Disposition, die als CoFaktoren oft über den langfristigen Therapieerfolg entscheiden.

PA-Therapie klassisch und alternativ

Die Basis einer wissenschaftlich fundierten Therapie ist immer ein klassisches PA-Konzept mit Vorbehandlung, individueller Mundhygienebetreuung, instrumentellem „Biofilmmanagement“ (Abb. 1) sowie anschließender parodontaler Nachbetreuung (UPT). Da die Ursachen für orale Entzündungen vielfältig sind, reichen häufig die Reinigung und herkömmliche Mundhygienemaßnahmen allein für einen nachhaltigen und langfristigen Erfolg nicht aus. Ergänzend können hier natürliche Therapien wie Laser, Ozonbehandlung oder auch der Einsatz von Probiotika sowie ätherischen Ölen in Form von Aromatogrammen und die Substitution mit Nahrungsergänzungsmitteln hinzugezogen werden.

Laserunterstützte PA-Therapie

Prinzipiell unterscheidet man in der laserunterstützten PA-Behandlung zwischen dem Einsatz verschiedener Wellenlängen und sogenannten Photodynamischen Therapien, bei denen ein Farbstoff (Methylenblau oder Toluidinblau) durch einen Laser aktiviert wird (Abb. 2). Ein Vorteil im Vergleich zur Antibiotikagabe ist, dass diese Behandlungsformen keinerlei Resistenzen hervorrufen oder Nebenwirkungen mit sich bringen.

Laser können u. a. zur Infektionskontrolle, zum Debridement, Progressionsstopp und Erhalt des klinischen Attachments eingesetzt werden. Vereinfacht dargestellt, entstehen bei Aktivierung des jeweiligen Wirkstoffs Sauerstoffradikale (daher auch der Begriff Photooxidative Therapie), welche die Membran bestimmter Bakterien schädigen und diese somit eliminieren.

Eine weitere Möglichkeit besteht in der Photothermischen Therapie unter Zuhilfenahme eines Diodenlasers. Hierbei wird der jodfreie Farbstoff Infracyaningrün (EmunDo®, Henry Schein; Abb. 3) eingesetzt, der im Gegensatz zu den oben genannten Verfahren nicht über Sauerstoffradikale die Bakterien angreift, sondern durch einen erheblichen Temperaturanstieg irreversible Zellschäden bei den Bakterien verursacht. Dies ermöglicht eine selektive Schädigung der Keime nur im angefärbten Gewebe und somit ein minimalinvasives Biofilmmanagement. Die Lasertherapie kann sowohl in der Prophylaxe als auch im PA-Konzept integriert werden.

Ozontherapie – mit der Kraft des Sauerstoffs

In der Ozon- oder auch Plasmatherapie werden u. a. Geräte mit medizinischem Ozon (Humares GmbH) genutzt, um Viren, Bakterien und Pilze zu beseitigen. Durch Bildung und Zerfall des Ozons entstehen freie Sauerstoffatome, die sowohl die Zellhülle als auch RNA und DNA der Keime angreift und sie so in Sekundenschnelle abtötet. Für das umliegende Gewebe ist das Ozon hingegen nicht schädlich. Im Gegenteil: Es fördert die Sauerstoffsättigung der Körperzellen und gewährleistet damit eine bessere Heilung. Der Zellmetabolismus wird aktiviert und das Immunsystem moduliert. Ebenso wie beim Laser sind im Gegensatz zur Antibiotikaanwendung keine Resistenzen möglich.

Beide Therapieformen (Laser und Ozon) sind seit vielen Jahren erfolgreich in Zahnarztpraxen im Einsatz und ihre Wirkungsweise durch wissenschaftlich anerkannte Studien belegt.3–6

Ätherische Öle gezielt einsetzen

In der Parodontitisbehandlung gibt es weitere Ansätze, die therapeutisch großen Erfolg versprechen. Von enormer Bedeutung kann nämlich die gezielte Anwendung von sorgfältig, auf Basis von sogenannten Aromatogrammen (Abb. 4 und 5), ausgewählten Ölen sein. Ähnlich wie bei einem Antibiogramm (Untersuchung von Keimen auf Antibiotikaresistenzen und -empfindlichkeiten) erfolgt beim Aromatogramm eine Laborauswertung der Keime und ihrer Empfindlichkeit gegenüber bestimmten ätherischen Ölen (z. B. Lemongrasöl, Teebaumöl, Manukaöl oder Thymianöl). Die Öle, welche die größte Wirksamkeit zeigen, können dann in Form von Gelen, Tinkturen oder Balsam gezielt zur Bekämpfung der Keime eingesetzt werden. Erhältlich sind die speziellen Öle in Apotheken mit entsprechender Ausbildung (Abb. 6).

Ölziehen als Ergänzung zur häuslichen Mundhygiene

Das Ölziehen wurde medial teilweise schon als richtiger Zahnpflegetrend gehandelt und kann als häusliche Mundhygienemaßnahme eine sinnvolle Ergänzung zur klassischen Prophylaxe und PA-Therapie sein. Durch das „Spülen“ mit Ölen aus verschiedenen Pflanzenstoffen bzw. zum Teil auch zusätzlichen Wirkstoffen wird der Mundraum gereinigt und gleichzeitig gepflegt.

Je nach Inhaltsstoff hat das Ziehöl klinisch nachgewiesene antibakterielle Eigenschaften, die die Zellmembran von Keimen zerstören und sie so unschädlich machen können (z. B. die in Kokosöl enthaltene Laurinsäure). Das Öl bindet außerdem Schadstoffe, die mit dem Ausspucken des Öls aus der Mundhöhle entfernt werden. Die Bewegung des Öls während der Anwendung hat einen Massageeffekt auf das Zahnfleisch, dessen Regeneration und Durchblutung dadurch angeregt wird. So kann das Ölziehen einen schnellen Heilungsverlauf in der PA-Behandlung unterstützen. Zusätzlich wird die Schleimhaut durch das Öl mit wichtigen Nährstoffen versorgt. Es bildet sich eine Lipidschutzschicht, die nicht nur zur Pflege und Schmerzlinderung beiträgt, sondern gleichzeitig auch die erneute Anlagerung von Plaque auf den Zahnoberflächen verhindert. Besonders effizient wird das Ölziehen, wenn die durch ein Aromatogramm identifizierten ätherischen Öle zum Einsatz kommen.

Probiotika in der PA-Therapie

Einige wissenschaftliche Studien belegen bereits die Wirkung von Probiotika im Mundraum.7,8 Es wurde u. a. auch oft beobachtet, dass die Blutungsneigung in Zahnfleischtaschen mit ihrer Einnahme deutlich reduziert werden kann. Probiotika können die Gesundheit generell auf zweierlei Weise positiv beeinflussen: Sie hemmen einerseits das Wachstum entzündungsfördernder und pathogener Keime, wie Porphyromonas gingivalis (P.g.), und bringen so die Mundflora wieder ins Gleichgewicht. Andererseits stärken sie das Immunsystem, indem sie antimikrobielle Abwehrstoffe produzieren und die Immunzellen aktivieren. Eine Vermehrung oder Wiederansiedlung von pathogenen Bakterien wird damit erschwert. Aktuelle Studien aus Schweden und Italien bestätigen, dass bestimmte Bakterienstämme (konkret Lactobazillus reuteri  in Form von Lutschtabletten) die Ausbreitung gewisser Parodontitiskeime hemmen.9–11

Ernährung und Nährstoffmangel

Wird der Körper unzureichend mit Vitalstoffen versorgt, kann der Stoffwechsel nur eingeschränkt funktionieren und viele Behandlungsmaßnahmen sind weniger erfolgreich. Neben einer umfassenden Mundhygiene spielt deshalb auch die optimale Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen eine große Rolle für die PA-Therapie.

Nährstoffmangel entsteht heute aber nicht nur durch eine unausgewogene Ernährung mit Lebensmitteln, die wenig Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Faktoren wie Stress, Alter, Wechseljahre, Medikamente, Umweltbelastungen und chronische Erkrankung wie eben die Parodontitis schwächen den Körper und erhöhen den Nährstoffbedarf zusätzlich. Gerade das für den Knochenstoffwechsel benötigte Vitamin D3 ist bei über 80 Prozent der Deutschen viel zu niedrig.12,13 Der Körper kann nicht mehr ausreichend Leistung bringen, sich regenerieren oder reparieren. Vor allem auch PA-Patienten weisen häufig einen extremen Mangel auf.

Besonders wichtig für ein gesundes Zahnfleisch und einen gesunden Knochenstoffwechsel sind außerdem:

  • Vitamin A bzw. Carotinoide
  • Vitamin C
  • Vitamin D
  • Vitamin B12
  • Folsäure
  • Omega-3-Fettsäuren
  • Magnesium
  • Zink

Darum sollte gerade PA-Patienten empfohlen werden, einem Nährstoffmangel, z. B. mithilfe von Nahrungsergänzungsmitteln, entgegenzuwirken.

Fazit für Zahnarztpraxen

In der heutigen Zeit wird es immer wichtiger, den Patienten natürliche und biologische Therapiemöglichkeiten als Ergänzung oder Alternative anzubieten, da diesbezüglich die Nachfrage immer größer wird. Es gibt viele Verfahren aus der Naturheilkunde und der biologischen Medizin, die auch problemlos in der eher schulmedizinisch ausgerichteten Zahnarztpraxis Anwendung finden können. Dazu bedarf es häufig nicht viel mehr als ein wenig Einarbeitung ins Thema, z. B. durch ein Expertenseminar oder umfangreiche eigene Onlinerecherchen. Also: Warum nicht alternative Methoden ausprobieren, wenn sie denselben Effekt wie klassische Behandlungsmaßnahmen erzielen können?

Literaturliste

Der Beitrag ist im Prophylaxe Journal erschienen.