Interview mit DH Birgit Schlee und Fotograf Joachim Werner
„Fotografie ist auch ein Quell der Motivation!“
Dentale Fotografie erleichtert die Dokumentation, visualisiert die Mundhygiene und hilft bei Aufklärung, Diagnose und Therapie. Zugleich zeigen die Bilder dem Behandler, wo er fachlich steht. Und nicht zu vergessen: Fotografieren macht auch noch Spaß.
Wann kommt dentale Fotografie in der Praxis zum Einsatz?
Joachim Werner: Die dentale Fotografie ist ein wichtiges Hilfsmittel bei der Diagnose, der Patientenaufklärung, der Farbbestimmung, der Behandlungsplanung und für die forensische Dokumentation. Eine Fotodokumentation kann auch helfen, wenn ein Patient mit einem Behandlungsergebnis nicht zufrieden ist. Dann lässt sich anhand der fotografierten Ausgangssituation seine Kritik meist objektivieren und man kann mögliche weitere Maßnahmen diskutieren, um seinen Erwartungen besser gerecht zu werden.
Aber in der dentalen Fotografie verbirgt sich für den Behandler auch ein großer Quell der Motivation und Selbstreflexion. Ein Bild bietet die Möglichkeit zur Kontrolle der eigenen Behandlungsleistung und kann zeigen, ob ich als Behandler das Versprechen gegenüber meinem Patienten eingehalten habe.
Wie sieht es in der Prophylaxe aus?
Birgit Schlee: Speziell bei der PZR kann ich die Fotos als zusätzliches Hilfsmittel bei der Patientenaufklärung einsetzen. Ich kann so besonders leicht aufzeigen, wie und wo sie „noch besser“ putzen können. Den Patienten gibt es die Möglichkeit, sich selbst vom Erfolg oder Misserfolg der häuslichen Mundhygiene zu überzeugen.
Wie hilft Ihnen das Fotografieren bei der PA-Therapie?
Schlee: Mithilfe der dentalen Fotografie kann der Patient für seine eigene Mundgesundheit und eventuell vorhandene Mundhygienedefizite sensibilisiert werden. Dadurch steigen häufig die Eigenverantwortung und die Motivation, die für die PA-Therapie und den langfristigen Behandlungserfolg eine entscheidende Rolle spielen. Anhand von Aufnahmen der Intraoralkamera kann der Patient zudem direkt in die Auswertung der Plaque- oder Blutungsindizes einbezogen werden. Empfehlungen zur Zahnpflege an Problemzonen werden besser nachvollziehbar. Die Aufnahmen dienen außerdem als Argumentations- und Anschauungshilfe, um den Patienten besser vom Nutzen der empfohlenen Behandlung zu überzeugen.
Wie schnell kann man sich mit Ausrüstung und Bildbearbeitung vertraut machen?
Schlee: Ich empfehle jedem, der sich für die Dentalfotografie interessiert, sich fundiertes Wissen im Rahmen einer Fortbildung anzueignen. Es erleichtert den Start enorm. Da ich zu Beginn des Fotografierens selbst nur kurz in der Praxis eingewiesen wurde, dauerte es etwas länger, bis meine Bilder an Qualität gewannen.
Wie hoch ist der zusätzliche Aufwand neben der Behandlung?
Schlee: Bei einer guten Ausrüstung, optimaler Vorbereitung, einem gut abgestimmten Zeitmanagement und etwas Routine sind es wenige Minuten, die eine Fotodokumentation in Anspruch nimmt. Innerhalb einer Behandlungszeit von 60 Minuten für eine PZR können also ohne Probleme zwei bis drei Fotos angefertigt werden. Wird ein kompletter Fotostatus für diagnostische Zwecke benötigt, sollte dies allerdings separat terminiert werden.
Welches Equipment wird benötigt?
Werner: Egal, ob mit einer Spiegelreflexkamera, einer spiegellosen Kamera oder einem Smartphone fotografiert wird – die Einstellungen müssen stimmen. Um Bilder vergleichbar zu machen, legt man am besten einen Standard für Bildabfolge, Bildausschnitte und Blickwinkel fest.
Prinzipiell reichen zwei Objektive in der Praxis: Ein Makroobjektiv für Detail- und ein 50-mm-Objektiv für Porträtaufnahmen. Für optimales Licht sorgen bei intraoralen Aufnahmen mit Spiegel ein Ringblitz und ein Lateralblitz. Zwei kleine Softboxen mit kleinen Systemblitzen runden das Equipment ab. Das weiche Licht der Softboxen veredelt die Aufnahmen der Mundfotos und gibt Porträtfotos einen professionellen Look. Ebenfalls hilfreich ist ein Einbeinstativ, auch Monopad genannt. Es erleichtert die Aufnahme, wenn ein kompletter Fotostatus erstellt werden soll und die Kamera in der Hand schwer wird. So bleibt die Kamera immer auf einer Höhe und der Ausschnitt, der durch den Abstand entsteht, immer gleich.
Gab es Fälle, in denen Ihnen die Fotos rechtlich geholfen haben?
Schlee: Ja – und hier wurde deutlich, wie wichtig eine korrekte und ausführliche Fotodokumentation ist. Eine Neupatientin wünschte eine Neuanfertigung ihrer UK-Teleskoparbeit. Vor Behandlungsbeginn wurden der aktuelle Zustand und der Sitz des Zahnersatzes genau dokumentiert. Nach Rechnungsstellung beschwerte sich die Patientin, dass eine Neuanfertigung eigentlich nicht notwendig gewesen wäre und der Behandler sie dazu überredet hätte. Vor Gericht überzeugte schließlich jedoch das präzise angefertigte Bildmaterial, das mit der schriftlichen Dokumentation komplett übereinstimmte und die Aussagen der Patienten widerlegte. Denn es genügt nicht, recht zu haben. Man muss es auch belegen können.
Interview, erschienen in zm 06/21