Ideen für mehr Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis
Einsparung von Ressourcen
Einer Umfrage der ApoBank aus dem Jahr 2021 zufolge ist für viele Mitarbeiter aus der Zahnarztpraxis das Thema Nachhaltigkeit wichtig. Doch etliche sehen in einem Mangel an nachhaltigen Alternativen sowie einem hohen Zeit- und Kostenaufwand ein Hindernis, um ein wirklich nachhaltiges Konzept in der Praxis umzusetzen. Nicht selten fehlen auch einfach die Ideen, mit welchen schnell umsetzbaren Maßnahmen man starten könnte. Darum folgt hier ein kleiner Einblick, was im Sinne der Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis alles möglich ist. Natürlich müssen dabei auch die gesetzlichen Vorgaben bei der Hygiene und die Qualität der Behandlungsabläufe immer berücksichtigt werden.
Generell gibt es mehrere Faktoren, die den ökologischen Fußabdruck einer Praxis beeinflussen: Das sind zum einen die Abläufe in der Praxis selbst, zum anderen aber auch das Verhalten der Mitarbeiter und der Patienten auf dem Weg hin zur oder weg von der Praxis. Und an all diesen Stellschrauben können wir zum Teil etwas mehr oder weniger drehen.
Empfangsbereich, Wartezimmer und Verwaltung
Zunächst einmal: Um effizientere und damit nachhaltigere Abläufe in der Praxis zu implementieren, ist eine kontinuierliche Weiterbildung der Mitarbeiter wichtig. Nur wenn das Team offen und fit für Neues ist, können echte Veränderungen bewirkt werden.
Allem voran steht dabei die Digitalisierung, denn eine Umstellung auf papierlose Abläufe sorgt für ein erhebliches Mehr an Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis. Dazu gehört zuerst einmal die digitale Patientenakte. Aber auch Rechnungen, Kostenvoranschläge, Anamnesebogen oder Terminerinnerungen können digital verschickt beziehungsweise direkt in der Praxis übers Tablet ausgefüllt und unterschrieben werden.
Ein Online-Terminbuchungstool spart uns nicht nur das dicke Terminbuch am Empfang, sondern ist auch wesentlich patientenfreundlicher. Schließlich kann sich der Patient 24/7 einen Termin reservieren, ohne anrufen zu müssen. Sagt ein Patient ab, werden die Slots automatisch wieder freigegeben. Das wiederum entlastet auch die Mitarbeiterin am Empfang, die weniger mit Telefonieren beschäftigt ist und ihr Augenmerk auf die Patienten in der Praxis richten kann.
Und auch in der Patientenaufklärung können digitale Medien erfolgreich eingesetzt werden. Statt Flyer zu verteilen, können wir mithilfe von Erklärvideos Therapiemaßnahmen und Hintergründe anschaulich demonstrieren.
Papier aus Gras, Silphie oder Apfel
Sollte ein kompletter Verzicht auf Papier nicht möglich sein, kann jedoch zu Recyclingpapier oder zu Papier aus Gras, Silphie oder Apfel gegriffen werden. Diese Alternativen sind nicht nur als Druckerpapier geeignet, sondern beispielsweise auch für Visitenkarten, Terminzettel, Umschläge oder Ordner.
Mittlerweile gibt es auch Büroutensilien wie Mappen, Locher oder Tacker, die aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt werden und somit umweltfreundlicher sind als die Hilfsmittel aus herkömmlichem Kunststoff. Noch besser wäre es aber zum Beispiel, komplett auf Tackernadeln zu verzichten und stattdessen Stanzen fürs Papier zu nutzen.
Wer seine Patienten im Wartezimmer gern mit Getränken versorgt, für den lohnt sich die Überlegung, einen Wasserfilter anzuschaffen. Dann kann den Patienten gefiltertes Leitungswasser statt Wasser aus Flaschen angeboten werden. So entfällt nicht nur das lästige Kistenschleppen – es reduzieren sich auch die Kosten für das Wasser und die energieaufwendige Produktions- und Aufbereitung der Flaschen (sowohl bei PET als auch bei Glas) entfällt.
Materialwirtschaft, Mülltrennung und Entsorgung
Doch nicht nur am Empfang der Praxis ist eine gute Organisation die halbe Miete. Das Gleiche gilt auch für die Materialwirtschaft. Ein guter Überblick über den Warenbestand samt Haltbarkeitsdaten gewährleistet, dass Nachschub verschiedener Materialien stets gesammelt geordert werden, um Einzellieferungen zu vermeiden. Ein gutes Materialmanagement verhindert zudem, dass Produkte aufgrund abgelaufener Haltbarkeit unbenutzt entsorgt werden müssen. Bei der Bestellung sollten Anbieter gewählt werden, die Wert auf umweltfreundlichere Verpackungen und eine nachhaltige Logistik legen. Hierbei können große Bestellplattformen sehr hilfreich sein.
Wichtig ist auch, was später in der Praxis mit den Verpackungen, aber selbstverständlich auch mit allen anderen Abfällen geschieht. Alle Mitarbeiter sollten über die korrekte Trennung und Entsorgung der Praxisabfälle informiert sein, und es müssen entsprechende Behälter zur Verfügung stehen.
Besondere Sorgfalt gilt im Umgang mit Amalgamresten: Sie müssen in den vorgesehenen Abfallbehältern landen, und die Filtersiebe des Amalgamabscheiders sind, wie von den Herstellern vorgesehen, unbedingt als Einwegprodukte zu verwenden. Bei der Reinigung der Praxis und der Instrumentenaufbereitung sollte biologisch abbaubaren Reinigungs- und Desinfektionsmitteln der Vorzug gegeben werden.
Gemeinschaftsräume und Energieverbrauch
In den Sozialräumen lassen sich für mehr Nachhaltigkeit ziemlich problemlos einige energie- und wassersparende Maßnahmen umsetzen: Im Sanitärbereich können zum Beispiel Wasserhähne mit Sensoren eingebaut oder der Wasserdruck und damit die durchlaufende Wassermenge an den Hähnen eingestellt werden. Fürs Trocknen der Hände sollten Papierhandtücher aus Recyclingpapier eingesetzt werden.
Achten Sie in puncto Praxiskleidung auf nachhaltige und hochwertige Produkte. Diese halten in der Regel länger und müssen nicht so oft erneuert werden.
Nachhaltiger Kaffee und Tee aus fairem Anbau ist zu bevorzugen. Wer Müll vermeiden möchte, nutzt lieber Filtermaschinen oder Stempelkannen statt Maschinen mit Kapseln oder Pads.
Grundsätzlich sollte der Energieverbrauch aller Geräte geprüft werden und Geräte mit sehr hohem Verbrauch (zumeist ältere Modelle) gegebenenfalls ausgetauscht werden. Elektrogeräte sollten nach Feierabend, am Wochenende und während Betriebspausen komplett ausgeschaltet (und nicht nur im Stand-by-Modus) sein. Am einfachsten lässt sich das über einen Hauptschalter bewerkstelligen. Weitere Energieeinsparungen lassen sich durch die Beleuchtung mit Tageslichtsensoren und energiesparenden LED erzielen.
Nachhaltigkeit im Behandlungszimmer
In Hinblick auf die Nachhaltigkeit unseres Behandlungsequipments müssen wir uns in der Zahnarztpraxis grundsätzlich entscheiden: Wegwerfen oder Aufbereiten? Aktuell scheinen sich immer mehr Praxen für die Wiederaufbereitung zu entscheiden und Einmalartikel so gut es geht aus der Zahnarztpraxis zu verbannen. Dabei gibt es aber noch viel mehr Spielraum als die Frage nach dem Mundspülbecher aus Papier oder Plastik.
Nutzen Sie für Ihre Patienten Stoffhandtücher statt Papierservietten. Die Handtücher sollten möglichst aus Baumwolle oder anderen natürlichen Materialien bestehen, da beim Waschen von synthetischen Stoffen ebenfalls Mikroplastik entsteht.
Generell stellt sich aber die Frage, ob man bei einer einfachen Kontrolle nicht vielleicht sogar die Serviette beziehungsweise die Alternative komplett weglassen kann. Bei ausschließlichen Beratungsgesprächen ist überhaupt kein Becher, keine Serviette und auch kein Speichelsauger notwendig. Einige Praxen realisieren solche Termine sogar online via Videochat, um Anfahrtswege einzusparen. Wenn doch ein Becher nötig wird (das gilt auch für Dappengläser), dann am besten aus aufbereitbaren Materialien wie Glas, Aluminium, Bioplastik oder aber Einwegbecher ohne Beschichtung. Und benötigt der Patient immer einen vollen Becher Wasser zum Spülen? Eventuell kann die Wasserzufuhr herunterreguliert werden.
Alternative Behandlungsmethoden
Doch nicht nur in Bezug auf die Verbrauchsmaterialien können wir in der Praxis einiges verändern. Es existieren auch alternative Behandlungsmethoden, die umweltfreundlicher und dabei genauso effizient sind wie konventionelle Therapien. Laserbehandlungen oder der Einsatz bioaktivierender Verfahren zum Beispiel können Nahtmaterial, Anästhetikum und Schmerzmittel einsparen, weil der Patient weniger Beschwerden hat und die natürliche Wundheilung gefördert wird.
Genauso ermöglicht uns die Digitalisierung bei der Behandlung eine große Erleichterung. Digitales Röntgen etwa bedeutet einerseits weniger Strahlenbelastung für den Patienten. Anderseits vermeiden wir so den Einsatz von äußerst umweltschädlichen Chemikalien, die als Sondermüll entsorgt werden müssen. Ähnlich verhält es sich mit der digitalen Abformung.
Prophylaxe nachhaltig gestalten
Auch in der Prophylaxe bieten sich viele Möglichkeiten, nachhaltiger zu agieren. Bei der Mundhygieneberatung kann der Patient seine eigenen Zahnpflegeprodukte mitbringen. Wer die Einmalbürsten nicht weglassen möchte, kann über plastikfreie Alternativen nachdenken.
Mittlerweile gibt es auch Bambuseinwegzahnbürsten, die mehrmals verwendet werden können, sodass der Patient sie nach dem Termin mit nach Hause nehmen kann.
Bei der Beratung sollten Zahnpflegeprodukte ohne Mikroplastik und andere chemische Inhaltsstoffe in den Fokus rücken. Und auch die Umverpackung der Produkte spielt hier eine Rolle. Bei Zahnbürsten, Interdentalbürstchen, Zahnseide und Zungenreiniger gilt dasselbe: Lieber umweltfreundlichere Materialien wählen wie Bambus oder Metall. Beim Griff zur elektrischen Zahnbürste entscheiden wir uns für Produkte aus recycelten Materialien oder mit austauschbarem Akku.
Praxisplanung und Mobilität
Gerade Praxisgründer können von Anfang an Nachhaltigkeit in ihrem Konzept mitdenken und entsprechende Maßnahmen treffen. Sei es durch das ökologische Bauen mit natürlichen und umweltfreundlichen Baustoffen, das Bauen nach Energiebauweise und der Einsatz von Geothermie, Solar- und Fotovoltaikanlagen. Generell sollte Biostrom oder Biogas bezogen und, wo es möglich ist, fossile Brennstoffe ersetzt werden.
Um die Mitarbeiter bei einem nachhaltigeren Arbeitsweg zu unterstützen, kann die Praxis Jobfahrräder oder Zuschüsse zu den ÖPNV-Tickets anbieten. Einige Praxen räumen ihren Mitarbeitern überdies ein oder zwei Tage mehr Jahresurlaub ein, wenn diese auf Flüge oder Kreuzfahrten verzichten.
Teambesprechungen können per Videochat durchgeführt werden, um Teilzeitkräften die Anreise ausschließlich für den Termin zu ersparen. Eventuell gibt es Kolleginnen im Team, die einen Teil ihrer Arbeit von zu Hause erledigen könnten.
Auch die Patienten kann man zu einem nachhaltigeren Verhalten ermutigen. Es können Anreize geschaffen werden, damit der Patient den Praxisbesuch mit den öffentlichen Verkehrsmitteln antritt – zum Beispiel durch ein kleines Goodie. Auch sichere Fahrradstellplätze sowie eine E-Ladestation vor der Praxis erhöhen die Motivation, mit einem Elektrofahrzeug oder Fahrrad zu kommen.
Blick außerhalb der Praxistür
Wer Nachhaltigkeit im ganzheitlichen Sinne leben möchte, sollte sich mit der Zahnarztpraxis zudem für soziale Projekte sowie den Umwelt- und Klimaschutz engagieren. Das kann von der Unterstützung des heimischen Jugendsportvereins bis hin zu Stadtteil-Aufräum-Aktionen reichen. Es besteht außerdem die Möglichkeit, den gesamten CO2-Ausstoß der Praxis durch den Erwerb sogenannter Klimazertifikate auszugleichen.
Fazit
Bei allen Maßnahmen zur Einsparung von Ressourcen sollten wir nicht vergessen, dass wir bereits mit unserer täglichen Arbeit mittels Prävention und Therapie einen großen Beitrag im Sinne der gesundheitsfördernden Nachhaltigkeit leisten, indem wir die Zahn- und Allgemeingesundheit unserer Patienten langfristig sichern. Darum sollte bei allen Konzepten für eine nachhaltige Praxis stets nicht nur der bloße Austausch von Materialien oder die Schonung von Ressourcen, sondern der Patient mit seinen individuellen Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen.
Interview, erschienen in DZW FAN 04/22
DH Birgit Schlee bietet mit ihrer BIO AKADEMIE nicht nur Schulungen und Seminare für Praxisteams im Bereich der Bio-Prophylaxe an, sondern gibt als Botschafterin von „Die grüne Praxis“ auch ihr Wissen über die Umsetzung von Nachhaltigkeit in der Zahnarztpraxis weiter.